Epedemien auf Mallorca: Die Pest von 1820


Es ist fast schon ironisch, dass sich eine der größten Tragödien auf Mallorca ausgerechnet während der Krise des Coronavirus zum 200. Mal jährt. Die gefürchtete Beulenpest, bisher letzte große Epidemie in Europa, wütete 1820 im Osten der Insel und führte mit einem großen Ausbruch zum Tod eines Drittels der dortigen  Bevölkerung.

Ein kleiner Exkurs in die Geschichte.

Das Epizentrum: Son Servera

In Son Servera, im Osten der Insel, steht auf dem Dorfplatz Plaça de l’Abeurador die Statue eines Hirten, in dessen Umhang eine Ratte zu sehen ist. Um diesen Hirten rankt sich eine Legende. Man erzählt, dass Anfang Mai 1820 ein Schiff an der Ostküste anlegte. Es kam aus Tanger, Marokko und entlud den Körper eines Mannes, den die Seeleute am Strand begraben wollten.in junger Schweinehirte nahm den Mantel des Verstorbenen an sich und ging nach Hause nach Son Servera. Am nächsten Tag war er tot. Wenige Tage später waren bereits 50 Menschen gestorben. Und am Ende der Epidemie 60 Prozent der Bewohner des Ortes.

Wissenschaftlich ist diese Geschichte nicht haltbar. Klar ist, dass die Seuche in Son Servera startete. Sicher gilt auch, dass Handelsschiffe damit zu tun hatten. Ob es aber an entladenen Waren, Kontakt zwischen Mallorquinern und Matrosen oder eingeschleppten Ratten lag, lässt sich heute nicht mehr eindeutig sagen.

Am Anfang: Lange keine Reaktion

Die führenden Ärzte auf Mallorca waren angesichts des Krankheitsbildes, dass sich ihnen bot, sofort alarmiert. Sie sahen, dass sich die Seuche immer schneller verbreitete, wussten jedoch nicht wie sie die Krankheit heilen sollten. Deswegen taten sie erstmal nichts. Obwohl sie wussten, wie ansteckend die Pest war. Niemand traute sich, das Tabuwort in den Mund zu nehmen. Mallorca hatte bereits mehrmals die Pest erlebt und alle wussten, welche Zerstörung aber auch welche Maßnahme ein neuer Ausbruch nach sich zogen. Und das wollte zunächst niemand verantworten.

Pest auf Mallorca

Erst als sich die Krankheit immer mehr ausbreitet, wurden Ende Mai die ersten Schritte zur Eindämmung eingeleitet. Mitte Juni sprach der höchstrangige Mediziner der Insel offiziell über die Pest und veranlasste strengere Maßnahmen.

Plötzlich wie im Krieg

Die Einwohner Son Serveras mussten ihren Ort verlassen. Sie wurden drei Lagern untergebracht: Je eins für die Gesunden, die normal Kranken und die Pesterkrankten.

Entlang der Küste wurden Soldaten eingesetzt um den Schiffsverkehr zu überwachten. Man wusste, dass die Krankheit von außen gekommen war und ließ sofort doppelte Sicherheit walten. Alle ankommenden Schiffe mussten in eine Zwangsquarantäne.

Handelsschiffe in Mallorca

Eine weitere Einheit sperrte alle Städte der Insel ab, besonders Palma, wo bewaffnetes Zivilpersonal unter dem Kommando der Bürgermeister die Einreise fremder Personen verhinderte. Wer keine Gesundheitskarte mitführte, oder aus dem Osten der Insel kam, der durfte an Ort und Stelle erschossen werden. Inselweit wurde die Reisefreiheit eingeschränkt. Auch Bewohner nicht betroffener Ortschaften durften sich ohne gültige Gesundheitskarte nicht mehr aus ihren Gemeinden wegbewegen.

Am Ende viele Tote

Die Todeszahlen waren viel höher, als die überlieferten Zahlen vermuten lassen. Der Kaplan von Son Servera hörte irgenwann auf die Toten zu zählen. Es gab niemanden mehr, der sie hätten begraben können. Oder wollte, aus Angst sich anzustecken.

Diese Aufgabe wurde dann Gefangenen übertragen, die sich sprichwörtlich ihr eigenes Grab schaufelten. Um Infektionen zu vermeiden, wurden außerhalb der Ortschaften Massengräber angelegt.

Massengräber

Als Maßnahme um weitere Ausbrüche zu verhindern, wurden im Oktober 1820 in Son Servera Häuser in Brand gesetzt und Haustiere getötet. Da jedoch niemand verhungern wollte, verschonte man die Schafe und desinfizierte sie nur.

Ab Ende August verzeichnete man keine Todesfälle mehr, jedoch wurde die Isolation des Ortes noch bis zum 1. Februar des darauffolgenden Jahres aufrechterhalten.

Son Servera verlor damals 63 Prozent seiner Bevölkerung, erholte sich aber relativ schnell wieder von der Seuche. Viele Mallorquiner siedelten um und zogen aus anderen Regionen Mallorcas in den Osten, um sich dort niederzulassen. Dort gab es viel brach liegendes Land, leere Gebäude und Witwen. Kurz: Gute Bedingungen. Die Heiratsrate schoss in die Höhe.

Was man daraus lernte

Trotz der Tragödien die sich abspielten und der Opfer, die es kostete, gab es auch positive Auswirkungen. Die Nachfrage nach Präventivmedizin stieg danach an. Und auch hygienisch tat sich einiges. Friedhöfe wurden endlich außerhalb der Stadtmauern gebaut. Mallorca war womöglich die erste Region Spaniens, die Friedhöfe außerhalb des Ortskerns verlegte.

Friedhof

Die Solidarität der anderen Dörfer Mallorcas war während der Pest sehr groß. Sie unterstützten die Gemeinden und Lager im Osten mit Lebensmitteln und Geld.

Der Vergleich zum Coronavirus

Die Letalität des Coronavirus ist um einiges geringer, die Lage bereits seit vielen Wochen stabil. Und auch uns geht es besser als den Menschen damals. Wir sind wohlgenährt und medizinisch gut versorgt.

Was aber gleichgeblieben ist: Trotz moderner Wissenschaften können ansteckenden Krankheiten immer noch nicht komplett aufgehalten werden. Ohne strenge Kontrollen und Quarantänen ist eine effiziente Eindämmung hochansteckender Erreger nicht möglich.

Damals wie heute müssen Freiheit und Allgemeinwohl gegeneinander abgewägt werden. Hätte man die Reisefreiheit der Mallorquiner 1820 nicht eingeschränkt, wären womöglich mehr als die Hälfte aller Insulaner verstorben. Die Pest auf Mallorca wurde besiegt, weil Sperrzonen eingerichtet wurden.

Bleibt gesund!

Zum Weiterlesen

Son Severa ist heute alles andere als düster. Es liegt als ein Etappenziel am Fahrradweg Vía Verde zwischen Artà und Manacor und außerdem für das Mandelblütenfest im Februar bekannt.

Alle wichtigen Informationen zum Coronavirus auf Mallorca.

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